Frage:
Wie sind zweigeschlechtliche Menschen zu betrachten? Was muss derjenige tun, der solche Kinder bekommt?
Antwort:
Die in der islamischen Rechtslehre ,,Husnâ”, in der Medizin ,,Hermafrodismus/Intersexualität” genannte Zweigeschlechtlichkeit ist eine geschlechtliche Entwicklung, die nicht mit dem genetischen (chromosomalen) Geschlecht übereinstimmt. Bei diesen Menschen können sich die inneren und äußeren Geschlechtsorgane entweder nicht ganz entwickeln oder sie entwickeln sich verkehrt (das männliche Organ wie ein weibliches, das weibliche wie ein männliches oder gemischt). Letztendlich ist dies eine angeborene Fehlbildung. Genauso wie diese bei angeborenen Fehlbildungen bei Organen wie der Hand, dem Fuß, dem Mund, der Nase usw. vorkommen.
Bei Babys, bei denen von Geburt aus Fehler bei Organen wie der Hand, dem Fuß, dem Mund, der Nase usw. vorhanden sind, kann man anhand der normalen Geschlechtsorgane erkennen, ob es sich um einen Jungen oder ein Mädchen handelt. Bei Babys aber, die Fehler an den Geschlechtsorganen aufweisen, kann man das Geschlecht nicht mit bloßem Auge feststellen. Dafür muss man einen Chromosomentest machen.
Nach unseren medizinischen Kenntnissen, wird das Geschlecht des Kindes während der Befruchtung bestimmt (im Stadium der Zygote; wenn der Chromosomensatz aus 46XY besteht, ist es ein Junge, wenn er aus 46XX besteht, ist es ein Mädchen). Dass das Geschlecht schon mit der Befruchtung bestimmt wird, teilt uns folgender Koranvers mit:
وَأَنَّهُ خَلَقَ الزَّوْجَيْنِ الذَّكَرَ وَالْأُنْثَى مِنْ نُطْفَةٍ إِذَا تُمْنَى
,,Er ist es, Der die beiden Geschlechter, das männliche und das weibliche, schuf, wenn das Maß gesetzt wird, aus einer Nutfa/Zygote (Necm [der Stern] 53/45-46).”
Die Entwicklung der Geschlechtsorgane gemäß des Geschlechts
Obwohl das Geschlecht während der Befruchtung bestimmt wird, gibt es in den ersten sieben Wochen der Schwangerschaft keine Entwicklung in männliche oder weibliche Richtung. Die Entwicklungsphase der Geschlechtsorgane beginnt ab der achten Wochen (fetale Phase). Wenn das genetische Geschlecht männlich ist (46XY), wird von den Gonaden (Ei) ein männliches Hormon (Testosteron) ausgestoßen und dieses Hormon sorgt dafür, dass sich die inneren und äußeren Geschlechtsorgane in männlicher Richtung entwickeln (Hoden, Nebenhoden, Samenleiter, Bläschendrüsen, Prostata, Penis und Hodensack entwickeln sich). Wenn das genetische Geschlecht weiblich ist (46XX), wird kein Testosteron ausgestoßen und somit wird die Entwicklung in weiblicher Richtung gewährleistet (Ovaren, Uterus, Eileiter, Vagina, Klitoris, Schamlippen entwickeln sich). Bei der Entwicklungsphase in weiblicher Richtung spielt auch das von den Eiern ausgestoßene Hormon Östrogen eine wichtige Rolle.
Falls es bei der geschlechtlichen Entwicklung im Mutterleib in irgendeiner Phase zu einer Störung kommt (zu wenig oder zu viel Hormonproduktion oder dass der männliche Fötus dem Östrogen oder das weibliche Fötus dem Testosteron ausgesetzt ist usw), kann es zu Fehlentwicklungen (Zweigeschlechtlichkeit) bei der Geschlechtsbildung kommen. Es können Mädchen Geschlechtsteile aufweisen, die männlich aussehen oder umgekehrt oder Zwischenformen können der Fall sein.
Was muss man in diesem Fall tun?
Bei diesen Personen, die dem Anschein nach zweigeschlechtlich (Hunsâ) sind, ist ein Großteil in Wirklichkeit männlich oder weiblich. Man kann deren Geschlecht jedoch nicht erkennen, wenn man ihre äußeren Geschlechtsorgane betrachtet. Dafür benötigt man einige medizinische Untersuchungen und vor allem einen Chromosomentest. Falls der Chromosomensatz 46XY ist, wird entschieden, dass es sich um einen Jungen, falls er 46XX beträgt, dass es sich um ein Mädchen handelt.
Nachdem das Geschlecht mithilfe des Chromosomentests festgestellt wurde, können die notwendigen Behandlungen (durch Medikamente und/oder Operationen) gemacht werden. Darüber muss aber auf jeden Fall eine aus den entsprechenden Fachleuten (Urologe, Endokrinologe, Gynäkologe, Psychologe usw.) bestehende Kommission entscheiden.
Bei der Mehrheit der sog. Zweigeschlechtlichen, kann man anhand eines Chromosomentests das Geschlecht bestimmen. Jedoch gibt es auch Fälle, wenn auch sehr wenige, bei denen es einen gemischten Chromosomenbau gibt (Mosaik-Typus oder Chimärismus). Bei diesen ist der Chromosomenbau nicht in der reinen Form von 46XY (männlich) oder 46XX (weiblich) vorzufinden, sondern es gibt gemischte Formen wie 45X/46XY oder 46XX/46XY. Bei solchen Personen können sowohl Hoden als auch Eierstöcke vorhanden sein. Bei dieser Gruppe von Betroffenen kann es schwierig werden, deren Geschlecht zu bestimmen. Selbst bei diesen gemischten Typen kann man aber nach dem Chromosomensatz bestimmen, der über 50 Prozent ist. Diese Entscheidung muss natürlich unbedingt die Kommission von Fachleuten treffen.
Zusammenfassend können wir sagen, dass jeder geborene Mensch in Wirklichkeit entweder männlich oder weiblich ist, auch wenn es einige Entwicklungsfehler bei den Geschlechtsorganen gibt. Schließlich teilt uns auch Gott mit, dass Er den Mensch männlich oder weiblich erschaffen hat:
يَاأَيُّهَا النَّاسُ إِنَّا خَلَقْنَاكُمْ مِنْ ذَكَرٍ وَأُنْثَى
,,O ihr Menschen, Wir haben euch aus Mann und Frau erschaffen (Hudschurât [die Wohnungen] 49/13).”
Folglich ist jeder erschaffene Mensch entweder männlich oder weiblich. es gibt keine dritte Zwischenkategorie. Die als zweigeschlechtlich angesehenen Menschen können von den entsprechenden Fachleuten untersucht und behandelt werden. Diejenigen hingegen, die durch Operation ihr Geschlecht verändern lassen, obwohl sie keine solchen Probleme von Geburt aus haben (Transsexuelle), gehören in eine andere Kategorie und haben mit dem oben behandelten Thema nichts zu tun.
Dr. Zeki BAYRAKTAR
Urologe
Zweigeschlechtlichkeit
Intersexualität ist seit jeher ein Thema, dass Probleme und Fragen für die betroffenen Individuen und die Gesellschaft aufwirft. Gibt es Menschen, die weder Mann noch Frau sind und falls ja, wie soll man diese Menschen behandeln?
Sehr geehrter Herr Dr. Zeki BAYRAKTAR,
ich bin intersexuell (47,XXY) und somit gibt es natürlich ein sog. Drittes Geschlecht! Bei mir haben langjährige Hormonbehandlungen der sog. „Fachleute/Fachärzte“ nur Chaos in mein Leben sowie meinen Körper gebracht. Man bleibt intersexuell – mit oder ohne Behandlung. In Deutschland und dem Rest der westl. Welt setzt sich endlich seit einigen Jahren die Erkenntnis durch, dass das Geschlecht Intersexueller nicht durch Mediziner „korrigiert“ werden darf und sollte. Und hier propagieren Sie als Mediziner genau das Gegenteil, nur um anscheinend fromme Muslime zu beruhigen und dem Koran zu entsprechen. Unfassbar! Gäbe es die moderne Medizin nicht, wäre niemand in der Lage, Chromosomen zu analysieren, um daran das angebliche Geschlecht festzustellen. Der Mensch und seine geschlechtliche Identität sind ein komplexes Zusammenspiel vieler Faktoren und nicht bloß ein Würfelspiel von Humangenetikern.
Ich freue mich über ein konstruktives Feedback.
Mit freundlichen Grüßen
Carsten – ein real existierender und bekennender Intersexueller.
Sehr geehrter Herr Carsten
Ich habe mein Studium im Bereich der modernen Medizin absolviert und wende dies heute auch an. Falls Ihre Chromosomensatz-Analyse 47XXY ist, dann haben sie das Klinefelter Syndorm. (KS). Dass heisst, Sie besitzen im Phänotyp und Genotyp das männliche Geschlecht. Ich weiss nicht, welche Therapien man bei Ihnen angewendet hat, aber soweit ich verstanden habe, sind sie mit dem Resultat ganz und gar nicht erfreut. Da ich nicht genau weiss, was bei Ihnen als Therapie angewendet wurde, kann ich hierzu kein Kommentar äussern.
Unten finden Sie aus einer wissenschaftlichen Arbeit eine englische Kurzfassung zum Thema KS
Mit freundlichen Grüssen
Zeki Bayraktar
Klinefelter syndrome is the most frequent sex chromosomal disorder in males. With an estimated prevalance of about 1 in 500-600 newborn boys, it is among the most frequent genetic couses of male infertility. Typical clinical features of Klinefelter syndrome are enuchoid body proportions and tall stature, gynecomastia, small testicles, azoospermia and infertility. Patients usually diagnosed while they are evaluated for infertility. The laboratory and clinical findings of adults patients are complied with hypergonadotropic hypogonadism. Even if serum testosterone levels are not always markedly low, elevated serum follicle stimulating hormone is an important laboratory finding. Definitive diagnosis is made by karyotype analysis of peripheral blood lymphocytes. While 47,XXY chromosome stracture is detected in 80% of the patients, 20% of the patients have another numerical chromosomal abnormality. Due to increased morbidity and mortality, early diagnoses of Klinefelter syndrome is critical. Klinefelter syndrome is determined in 11% of azoospermic men and 4% of infertile men. Typical finding in semen analysis of most patients with Klinefelter syndrome is azoospermia. In general, patients with Klinefelter syndrome are accepted as infertile, however, assisted reproductive techniques may provide fertilization. With the techniques developed in recent years such as sperm cryopreservation, testicular sperm extraction (TESE), mikro-TESE and intracytoplasmic sperm injection, fertility was achieved in these patients. Cryopreservation of spermatogonial stem cells or testicular tissue is still experimental methods. In this review, we investigated clinical features, treatment and fertility options in patients with Klinefelter syndrome.
Sehr geehrter Dr. Zeki BAYRAKTAR,
ihre Antwort habe ich mit Interesse gelesen. Ich bin selbst ein intergeschlechtlicher Mensch mit habe ganz sicher keine „Entwicklungsfehler“ und ich danke dem einzigwahren Schöpfer aller Dinge für meinen Körper und mein Sein. Meine Besonderheit und Lebensgeschenk ist die komplette Androgeninsensität(CAIS). Meine Eltern, sind seit 62 Jahren in einer von Gott gesegneten Liebe miteinander verbunden und habe mich als ihr erstes Kind empfangen. Ich habe einen Chromosomensatz 46XY, wurde geboren mit einem weiblichen Genital, im Bauchraum liegende Testis, die seit der Pubertät munter Testesteron ( 12,2ngdl )produzierten. Ich habe eine gut funktionierende Aromatase und es wurde viel Testosteron in Östradiol und gewandelt. Meine Körper entspricht den Vorstellungen von weiblich. Ich bin gesund. Eine Vermännlichung meines Körpers ist unmöglich, da die Rezeptoren von der Zeugung an in mir kein Testo in der Haut erkennen. Ich lobe und danke Gott dafür, mir dieses Leben geschenkt zu haben und meinen Mann mit dem ich nun in einer von Gott gesegneten Liebe seit 40 Jahren miteinander verbunden bin.
Ich bitte Sie, Ihre Theorie noch einmal zu reflektieren und würde mich über eine Antwort sehr freuen. Ich wurde mit 23 Jahren unter falschen Informationen zu einer Entfernung der Hoden genötigt. Das hat viel Leid in mein Leben gebracht und meine Familie unnötig und unberechtigt belastet. Ich substituiere seit 13 Jahren Testosteron und es geht mir gut., bin aber weder Frau noch Mann, sondern ein vollwertiger Mensch.
Die Behandlungskonzepte, die Sie hier vertreten stehen im nicht im Einklang mit den derzeit gültigen Behandlungsrichtlinien und nach meiner Rechtsauffassung fordern Sie hier aktiv auf, in die Schöpfung ohne Not einzugreifen und ich bitte Sie freundlich, sich mit den Leitlinien auseinander zu setzen. Diese sind öffentlich einsehbar: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/174-001l_S2k_Geschlechtsentwicklung-Varianten_2016-08_01.pdf
Hallo Lucie Veith,
Natürlich sind auch Sie, wie wir alle auch, ein vollkommener Mensch. Da ist kein Zweifel. Aber die medizinische Praxis des Intersex ist nicht mein Bereich, oder der Bereich meiner Kollegen, hierfür ist die moderne Medizin zuständig. Genau das haben auch meine Deutschen Kollegen bei Ihnen angewendet.
Soweit ich verstehen kann, haben Sie das “Complete Androgen Intensitivity” Syndrom (CAIS). Dies wird auch als “Testicular feminization” benannt. Für diejenigen, die Karyotyp/Chormosomsatz 46XY besitzen, ist die klinische Diagnose; Es kann zwischen dem infertil/unfruchtbaren männlichen und dem kompletten weiblichen Phänotyp variieren. Es gibt hier drei verschiedene Versionen wie; Leicht, partial und komplett. Im allgemeinen befindet sich hier eine Vagina, doch es gibt dahinter keine Weiterleitung. der Uterus und die Eierstöcke sind hier auch nicht vorhanden. Die Hoden befinden sie meistens an den Leisten, oder auch im inneren des Bauches. (ich denke bei Ihnen waren sie im Bauch und wurden dann entfernt.)
Welche Version traf auf Sie zu? Welche Behandlung wurde bei Ihnen durchgeführt? Und wie lautete die Begründung der Behandlung? Da ich hiervon nicht informiert bin, kann ich nicht weiter kommentieren. Aber meine deutschen Kollegen haben bei Ihnen ganz bestimmt das medizinisch Nötige durchgeführt. Sicherlich ist es verständlich, dass dies für den Patienten, sowie auch für seine Familie, in jedem Fall ein schwieriger Prozess ist . Und in manchen Fällen kann die Situation wirklich sehr kompliziert sein.
Natürlich bin ich über die Debatte in dieser Angelegenheit informiert. Doch schlussendlich wenden wir Urologen die internationalen Urologie Richtlinien an, so tun es auch die amerikanischen und europäischen Urologen. Hier kommt es nicht in Frage, dass wir unsere persönliche Initiative ergreifen.
Es wurde vom Europarat ein Bericht über die Menschenrechte und dem Intersex veröffentlicht. Unten finden sie den Link des Artikels, das vom Europäischen Urologie-Magazin, gegen den Bericht vom Europarat, veröffentlicht wurde.
Auch der Bericht von der BMJ Website ist im Link enthalten.
Mit freundlichen Grüssen
Dr. Zeki Bayraktar
https://www.europeanurology.com/article/S0302-2838(16)30179-8/fulltext
https://bestpractice.bmj.com/topics/en-us/868